Politique

20-07-2016 Par

Einige Bemerkungen zur Parlamentswahl in Spanien

Die Enttäuschung ist nicht zu leugnen. Das Ergebnis der zweiten Wahl innerhalb eines halben Jahres hat als ˮkalte Duscheˮ gewirkt. Selten waren an eine bürgerliche Parlamentswahl solche Erwartungen geknüpft worden.

Einige Bemerkungen zur Parlamentswahl in Spanien

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Die Enttäuschung ist nicht zu leugnen. Das Ergebnis der zweiten Wahl innerhalb eines halben Jahres hat als ˮkalte Duscheˮ gewirkt. Selten waren an eine bürgerliche Parlamentswahl solche Erwartungen geknüpft worden. Immerhin stand die Hoffnung im Raum „Unidos Podemos“ würde als stärkste Kraft aus diesem Urnengang hervor gehen und könnte mit einem Erdrutschsieg das neoliberale EU-Europa endgültig aus den Fugen werfen.

Es bestand guter Grund zu hoffen, dass Podemos zur stärksten Kraft der Linken, oder dass zumindest die parlamentarische Linke zusammen genommen, eine Mehrheit erreichen würde. Die Zustände im Königreich Spanien gaben genügend Anlass für die kühnsten Erwartungen. 25% Arbeitslosigkeit, die Hälfte der Jugend ohne Arbeit, die etablierten Parteien weitgehend diskreditiert und in unzählige Korruptionsskandale verwickelt…

Mit 71 Podemos Abgeordneten haben außerparlamentarische Bewegungen und die Arbeiterbewegung Spaniens nun immerhin ein starkes Sprachrohr im Parlament wie in keinem anderen europäischen Land.

Dennoch bleiben die Fragen nach den materiellen Ursachen des ausgebliebenen Durchbruchs, auch von Podemos, bislang weitgehend unbeantwortet. Meines Erachtens sind sie eine Evidenz und lassen sich in 4 Elementen zusammenfassen:

• Die letzten 10 Monate waren in Spanien grundsätzlich geprägt durch Wahlkämpfe und Wahltaktik, und nicht durch soziale Mobilisierung. Es gab eindeutig mehr Streiks in Frankreich als südlich der Pyrenäen! Dabei wissen wir aus Erfahrung, daβ vor allem wenn „Systemfragen“ zur Wahl stehen, gewerkschaftliche Kämpfe und Massenmobilisierung unabdingbar sind um den Ausschlag zu geben (Syriza hatte sich in dieser Frage damals taktisch besser angelegt).

• Ein weiterer zentraler Aspekt den man nicht aus den Augen verlieren darf, ist das Problem des Separatismus bzw. der ˮnationalen Frageˮ, die alle Debatten durchzieht und vor allem in den entwickelsten Provinzen, wie Katalonien und dem Baskenland, eine starke Konkurrenz zum « Klassenkampf » darstellt. Auch Teile der dortigen radikalen Linken tendieren dort zu ˮnationalenˮ Allianzen mit neoliberalen bürgerlichen Parteien, gegen das restliche Spanien und ignorieren demonstrativ die sozialen Kämpfe im übrigen Lande. Als Reaktion darauf tendiert ein wachsenden Teil der Lohnabhängigen im restlichen Spanien dazu sich hinter Parteien zu scharen die den Gesamtstaat erhalten. In einer Periode des allgemeinen Werte Verfalls, wo alles scheinbar auffliegt oder den „Bach runter geht“, ist das eine natürliche Reaktion gegen eine Balkanisierung Spaniens, die für sie nur eine weitere Schwächung, Spaltung und Verarmung bedeutet. Viele potentielle Podemos Wähler haben darum gegen ihre Überzeugung, trotzdem die PSOE gewählt weil diese sich gegen Unabhängigkeits-Referenden ausspricht. Das Gift der nationalen Spaltung hat auch hier schon seine Wirkung getan.

• Als Dämpfer hat wohl ebenfalls die unrühmliche Entwicklung der griechischen Syriza Regierung am anderen Ende des Mittelmeers beigetragen. Die Kapitulation der Syriza Führung unter Tsipras vor einem Jahr, hat nicht nur die griechische Arbeiterklasse im höchsten Maβe geschwächt und desorientiert, sondern sie hat in allen Staaten mit ähnlichen Problemen, die Dynamik der politischen Kämpfe negativ beeinträchtigt. Podemos hat dazu beigetragen weil sie keine klare kritische Aufarbeitung dieser Kapitulation durchführte.

• Nicht zuletzt hat der „Brexit“ und die ihn begleitende „Katastrophen – Propaganda“ der Medien, drei Tage vor der Spanienwahl, den Mut auf Veränderungen bei vielen kritischen Wählern negativ beeinflusst. Unsicherheit ohne klar erkennbare, fortschrittliche Marschrichtung, kann immer nur abwartende Reaktionen und Stimmenthaltung bewirken.