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Die Klimakatastrophe und die Gewerkschaftsbewegung

Der sichtbar gewordene Klimawandel als Folge der globalen Umweltzerstörung lässt keinen Zweifel daran, dass die bisherige Entwicklung an einem historischen Wendepunkt angelangt ist. Das laufende Jahrzehnt wird wohl darüber entscheiden wie schwerwiegend und irreversibel sich die Auswirkungen gestalten werden. Fest steht bisher nur, dass wenn die CO₂ Emissionen in den nächsten 10 bis 12 Jahren nicht einschneidend vermindert werden uns allen eine durchschnittliche Erderwärmung von 2° Celsius und mehr bevorsteht. Die katastrophalen Folgen davon werden dann nur noch schwer zu begrenzen und unabsehbar werden.

 

Dem zum Trotz läuft der Betrieb aber vorerst einmal weiter als sei nichts geschehen und stünde auch nichts bevor. Derzeit streitet man sich über den Zweck des Tragens von Schutzmasken und über sichere Urlaubsorte und ähnliches. Die COVID-Epidemie war da eine Art Generalprobe, ein Warnschuss der zeigte wie schnell es gehen kann. Irgendwann wird der Klimawandel aufhören nur lästig zu sein und anfangen lebensbedrohlich zu werden. Dann wird die unvermeidliche Notbremsung einen gewaltigen Ruck in unserer Zivilisation bewirken, denn die Herrschenden werden dann irgendwann aus Selbsterhaltungsinteresse auf Notstands Massnahmen zurückgreifen. Der überstürzte Umbau von Industrie und Landwirtschaft wird dann nicht ohne Kollateralschäden, Verteilungs- und Machtkämpfe von statten gehen, denn es stehen gewaltige Interessen auf dem Spiel. Die Lohnabhängigen und die Völker der armen Länger werden dann am härtesten getroffen. Das Aufkommen der Herren Trump und Bolsonaro sind im Grunde nur die ersten Vorboten dieser politischen Krise.

 

Die Rolle der Arbeiterbewegung

 

Der organisierten Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung wird in dieser historischen Konfrontation eine entscheidende Rolle zukommen. Die Haltung, die sie in der kommenden Klimakrise und ihren sozialen Auswirkungen einnimmt, wird letztlich zum entscheidenden Faktor in dieser Auseinandersetzung werden.

 

Natürlich wäre es naiv davon auszugehen, dass alle Gewerkschaften wie selbstverständlich korrekte Positionen einnehmen würden. Ihre Aufgabe im Kapitalismus ist es die direkten materiellen und sozialen Interessen der Lohnabhängigen gegenüber der Arbeitgeberschaft zu verteidigen und dies in einem System das auf Konkurrenz und Verdrängungswettbewerb aufgebaut ist. Nach Jahrzehnten von struktureller Arbeitslosigkeit, Abbau und sozialer Verschlechterungen ganz in Europa ist das Salariat in der Defensive und ihre unmittelbaren Forderungen zur Verteidigung ihrer Lebensbedingungen stimmen direkt nicht mit dem überein, was getan werden müsste um das Klima zu retten. Das Gegenteil ist eher der Fall. Um Arbeitsplätze und Einkommen zu schaffen oder zu verteidigen, hofft die Mehrheit der Arbeiter eher auf eine Ausweitung der Produktion und einen wirtschaftlichen Aufschwung des Kapitalismus. Auf den ersten Blick klingt das logisch und scheint der sicherste Weg zu sein um seinen Status zu verteidigen. Das ist aber letztendlich illusorisch, denn der tagtägliche Konkurrenzdruck, der „technische Fortschritt“ im Verbund mit den Mechanismen des Marktes, führen früher oder später zum Stellenabbau und sozialen Niedergang.

 

Vorhut oder Klotz am Beim

 

Seit der industriellen Revolution kam der Arbeiterbewegung in der Gesellschaft objektiv die Rolle einer politischen Vorhut zu. Ob beim Streit um demokratische Rechte und Freiheiten, dem Kampf um das allgemeine Wahlrecht, das Wahlrecht für Frauen oder bei Antikriegs- und diversen anderen emanzipatorischen Bewegungen, waren die in Gewerkschaften der organisierten Lohnabhängigen meistens die entscheidende Kraft die den Ausschlag gab und andere benachteiligte Schichten der Bevölkerung mit sich zog. Im Kampf um das Klima und gegen die Umweltzerstörung zeigt sich nun aber eine andere Realität. An vorderster Front finden wir heute sehr oft Studenten und Schüler, Intellektuelle, indigene Völker und Landwirte, die sich gegen das Agrobusiness oder extraktivistische Großprojekte, wie z.B. Tagebauminen wehren. Oftmals auch weil ihre Forderungen für die Sicherung ihrer Existenz mit dem übereinstimmt, was getan werden muss um das Klima zu retten.

 

Die jetzt begonnene Klimakatastrophe erfordert nun schnell eine weltweite Reduzierung des CO₂-Ausstoßes und folglich einen Umbau zentraler Zweige der industriellen Produktion.    Das bedeutet massive Eingriffe in die bisherigen Arbeits- und Lebensgewohnheiten von hunderten von Millionen von Menschen, aber auch in die Entscheidungsfreiheit der Konzernchefs und Eigentümer. Die Maßnahmen, die zur Rettung von Klima und Atmosphäre notwendig sind werden alles bisher da gewesene übersteigen und eine soziale Erschütterung provozieren die weit grösser sein wird als die Schäden der aktuellen Corona Pandemie. Viele Umweltschützer unterschätzen den sozialpolitischen Aspekt des notwendigen Wirtschaftsumbaus genauso wie auch viele Gewerkschafter die Klimakatastrophe bisher noch weitgehend ignorieren oder zumindest unterschätzen. Beide Strategien sind falsch und zum Scheitern verurteilt. Denn sowohl den sozialen Bedürfnissen der Menschheit, wie der ökologischen Notwendigkeit einer schnellen Reduzierung der Treibhausgasemissionen muss Rechnung getragen werden. Natürlich müssen hierbei auch staatlich finanzierte Überbrückungs-Maßnahmen zum Zuge kommen (z.B. in Kohlerevieren usw.).

 

Arbeitsplätze durch die Konversion der Industrie erhalten

 

Der Umbau des aktuellen Produktionspotentials der Industriestaaten unter ökologischen Gesichtspunkten ist dabei das A und O einer ökosozialistischen Strategie. Der Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit  ist das größte Problem der Lohnabhängigen, denn das Niveau der Erwerbslosigkeit bedingt das Lohnniveau und die Arbeitsbedingungen. Die Ökosozialisten antworten darauf mit Forderungen auf 3 Ebenen:

 

  • Die Konversion nutzloser oder schädlicher Produktionen: In erster Linie die Petrochemie, die Automobilproduktion, die Rüstungsindustrie, die Atomwirtschaft, usw. Technisch ist das möglich: Im 2tenWeltkrieg z.B. konnten viele Staaten ihre Wirtschaft innerhalb einiger Monate auf Kriegsproduktion umstellen.
  • Die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen im Bereich des Wohnungsbaus, der öffentlichen Infrastrukturen, des kollektiven Transportes, einer ökologischen Energiegewinnung und Wasserwirtschaft, der sozialen und medizinischen Versorgung, einer biologischen Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion, usw.
  • Eine radikale und massive Senkung der Arbeitszeit ohne Lohnverluste und mit Neueinstellungen ist unerlässlich.

 

Ein solches Programm kann sich in der Arbeiterbewegung nur durchsetzen, wenn der Kampf gegen Entlassungen, Auslagerungen und Sozialabbau gekoppelt wird mit politischen aber auch konkreten Forderungen nach einer ökologischen Umbaustrategie. Derzeit ist noch oft die Ansicht vorherrschend, man müsse die Energiewende so wie sie in den Chefetagen konzipiert wurde begleiten und sie lediglich „sozial gerechter“ gestalten. Eine solche Haltung wird letztendlich in eine Katastrophe führen, denn ohne einen klaren Bruch mit dem            „Produktivismus“ und der kapitalistischen Profitlogik wird kein Weg sowohl an den üblichen Rationalisierungen wie an der Klimakatastrophe vorbeiführen. Entscheidend wird sein ob es gelingt die Gewerkschaften aus der Bindung mit der Logik des Produktivismus heraus zu lösen. Der Kampf für die Arbeitszeitverkürzung ist dabei der beste Hebel, aber auch die Einheit und Zusammenarbeit der (linken) Gewerkschafter mit der Bewegung für den Klimaschutz ist letztendlich eine Grundvoraussetzung. Greta und Nora müssen darum enger zusammenarbeiten!

 

Alain Sertic   22/08/20