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Who cares? We care! They care! Frauen kümmern sich!

Vor gerade mal drei Wochen waren in unserem Land rund zwei Tausend Menschen auf der Straße um auf die prekäre Situation von vielen Frauen aufmerksam zu machen. Lange und von sehr kompetenten und überzeugten MilitantInnen vorbereitet, war es eine der größten, wichtigsten und buntesten Protestkundgebungen, die unser Land gesehen hat. Es war keine „Lobby“ unterwegs sondern das „Weibervolk“.

Wie wahr und richtig die Forderungen nach einem gerechten Lohn, nach Respekt und Anerkennung für ihre Arbeit vor drei Wochen waren, bestätigt sich auf ganz brutale Weise knapp eine Woche später.

Ein äusserst ansteckendes Virus versetzt unser Land in Quarantäne und plötzlich sind diese Frauen, die „nur“ putzen, „nur“ in den Supermärkten Regale füllen und an den Kassen sitzen, Frauen die in Überzahl „nur“ in Kranken-, Pflege- und Altershäusern sich um kranke und ältere Menschen kümmern, überlebenswichtig und „systemrelevant“
Ja Frauen „kümmern sich“. Das Sein bestimmt das Bewusstsein. Uns allen wird plötzlich bewusst, dass der Mensch und sein Wille – das Maß aller Dinge – in seiner Existenz gefährdet ist. Die Solidarität hat viele Gesichter. Manche klatschen symbolisch von ihren Balkonen, pünktlich um 20 Uhr. Vor gerade mal drei Monaten haben die Gewerkschaften in zähen Lohnverhandlungen für die Beschäftigten des Großhandels bessere Lohn- und Arbeitsbedingungen herausgeschlagen – das Wimmern und Zähneknirschen der Aktionäre aus dem Großhandel hallt noch nach, und plötzlich wird eine Sonderprämie von 500 € oder gar 1.000 € an die Beschäftigten ausbezahlt um ihnen „Respekt und Dank“ in dieser schwierigen Situation zu zollen. Mit Nichten. Es handelt sich wohl eher um eine verlockende „Risikoprämie“ um die Männer und Frauen zu motivieren ihrer „Berufstätigkeit“ wenn möglich „normal“ weiterzugehen, denn mit Existenzängsten kann man viel Geld „hamstern“.

 

Digitale Kommunikation und Ausgangssperre

 

Zu Alltagshelden werden in Quarantänezeiten jetzt auch alle, sonst berufstätigen Eltern – auch hier Frauen in der Überzahl – die sich den ganzen lieben langen Tag mit ihren Kindern in ihren vier Wänden beschäftigen. Das virtuelle Klassenzimmer ist eine gute Sache und funktioniert in Zeiten der digitalen Kommunikation auch ziemlich gut. Aber was machen mit dem Bewegungsdrang der Kinder in einem 50 m2 Appartement und Ausgangssperre? Was machen mit der Angst der Kinder, dass Oma und Opa sterben könnten, vor der Zeit?

Und wie ist es mit der Versorgung? Wie in prähistorischer Zeit machen sich, auch hier vor allem Frauen, auf den Weg und machen Besorgungen. Beschäftigt mit der Frage, was ist lebenswichtig, was ist überlebenswichtig? In der ganzen Konsumideologie haben manche vergessen, was wirklich lebensnotwendig ist. Der Lieblingsaufstrich oder das Lieblingsbier ist nicht mehr zu kriegen. Schei….!

Und zu Hause kommt es leider auch verstärkt zu Spannungen zwischen den Partnern in den engen, vier Wänden. Gewalt gegen Frauen und Kinder nimmt auch in solchen Zeiten zu, das bestätigen leider die Selbsthilfezentren.

Ausnahmesituationen! In ein paar Tagen… Wochen… Monaten wird wieder alles normal!

Normal? Nein das darf es nicht werden. Kooperative Intelligenz, solidarische Interaktion und Humanismus wird die Menschheit retten. Vorläufig. Denn , wenn wieder alles „normal“ wird, wird Alles den Bach runter gehen. Die menschliche Aktivität ist auf ein „Minimum“ beschränkt worden. Die Natur erholt sich relativ schnell – die Luft ist sauberer und weniger belastet, die Gewässer regenerieren sich und das natürliche Leben kommt zurück. Wachstum und schwarze Nullen entpuppen sich als das was sie wirklich sind – menschenverachtend und rücksichtslos. Ökonomie ist plötzlich anders machbar.

 

Sinn der Arbeit und der Produktion

 

Manche Politiker sprechen von Krieg; mit Verlaub ein zynischer Vergleich; wenn man die Lage der Kriegsflüchtlinge in ihren Heimatländern und Lager betrachtet. Nur weil „ihre normale Komfortzone“ gestört ist.

Nach der Krise müssen, neben dem Klatschen und der Anerkennung für die Frauen und Männer in „Niedriglohnberufen“, angepasste Löhne und Arbeitsbedingungen – sprich Arbeits-zeitverkürzung durchgesetzt werden. Gewalt gegen Frauen und Kinder darf nicht länger ba-nalisiert werden. Nach der Krise müssen wir über den Sinn der Arbeit und der Produktion, über unsere Konsumgewohnheiten nachdenken. Eine globalisierte Welt muss Solidarität und nicht Konkurrenz üben.

In der Griechischen Geschichte oder ist es Mythologie, haben die Frauen aus Protest gegen den Krieg den Männern den Liebesakt verweigert weil sie sich nicht anders zu helfen wussten. Solidarität unter Frauen und kollektive Hartnäckigkeit haben die Kriege der „Männer“ beendet.

Wir sind im einundzwanzigsten Jahrhundert und eigentlich müssten wir intelligenter und schon weiter sein. Aber sind wir das wirklich? Das wird die Zukunft zeigen. Die Zukunft wird zeigen ob wir den Schock als Chance nutzen um uns und unsere „Lebens“-Gewohnheiten zu ändern und anzupassen. Und wir Frauen werden unsere Verantwortung übernehmen und mitentscheiden! Wir Frauen kümmern uns!

 

Zara Tripidante 

26/03/2020