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Prostitution – Legalisieren oder verbieten?

 

 

 

Dieses Dilemma findet man in den meisten kontroversen Diskussionen um die Prostitution wieder. Neu entfacht ist die Debatte in Deutschland mit einer Kampagne von Emma und einem « Appel gegen die Prostitution ». In Frankreich ist das « schwedische Modell » als Gesetzesänderung in der Diskussion. In Luxemburg fordert der nationale Frauenrat ein Gesetz nach dem schwedischen Modell.
Alice Schwarzer will dieProstitution verbieten, weil es sich um Sklaverei handelt. Sie vergleicht sie auch gerne mit Pädophilie: « … Deutschland …  toleriert, ja fördert diese moderne Sklaverei (international « White slavery » genannt). Die Reform des Prostitutionsgesetzes 2002, die angeblich den geschätzt 700.000 Frauen (Mittelwert) in der Prostitution nutzen sollte, trägt die Handschrift der Frauenhändler und ihrer LobbyistInnen. Seither ist Deutschland zu Europas Drehscheibe für Frauenhandel und zum Paradies der Sextouristen aus den Nachbarländern geworden. Ein deutscher Sonderweg. Selbst die Niederlande rudern zurück. Die skandinavischen Länder haben schon vor Jahren die Ächtung und Bestrafung der Freier eingeführt. Und Frankreich und Irland sind im Begriff, es ihnen nachzutun. »

Das deutsche Gesetz hat die Prostitution als sexuelle Dienstleistungen als Erwerbsarbeit 2002 legalisiert, wodurch Verträge zwischen Sexarbeiterinnen und ihren Kunden Rechtsgültigkeit erhielten. Durch die Möglichkeit einer sozial versicherten Beschäftigung sollten die Frauen sozial integriert werden. Das hat dann auch dazu geführt, dass in Bordellen ausbeuterische « Flatrates » eingeführt wurden, die die große Koalition jetzt verbieten will. Das Gesetz jedoch als Machenschaft von Frauenhändlern zu erklären geht sehr weit und spricht außerdem den Frauen, die sich prostituieren jede eigenständige Meinung ab, da sie, wenn sie ihre Arbeitsbedingungen verbessern wollen ja doch nur für ihre Zuhälter sprechen!

De fakto Illegalität
In Schweden wiederum formuliert das Gesetz von 1999 eine Maßnahme gegen Gewalt an Frauen. Es sieht vor, dass nur die Freier – mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe von einem Jahr – sanktioniert werden, nicht jedoch die Frauen. Dennoch treibe das Gesetz die Prostituierten de fakto in die Illegalität. Verschärfung finde dieser Umstand darin, dass auch das Vermieten oder zur Verfügung stellen von Räumen zur Prostitution verboten wurde, und die Einnahmen der Sexarbeiterinnen zwar steuerpflichtig wurden, aber weiterhin als « unehrenhaft » gelten.

Der auf die Initiative von Emma folgende « Appel für die Prostitution » des « Berufsverbandes sexuelle und erotische Dienstleistungen » ließ nicht lange auf sich warten. « Prostitution ist keine Sklaverei. Prostitution ist eine berufliche Tätigkeit, bei der sexuelle Dienstleistungen gegen Entgelt angeboten werden. Ein solches Geschäft beruht auf Freiwilligkeit. Gibt es keine Einwilligung zu sexuellen Handlungen, so handelt es sich nicht um Prostitution. Denn Sex gegen den Willen der Beteiligten ist Vergewaltigung. Das ist auch dann ein Straftatbestand, wenn dabei Geld den Besitzer wechselt. »
Die « Gegenpetition » stellt konkrete Forderungen: Beteiligung von SexarbeiterInnen an politischen Prozessen, keine Ausweitung der Polizeibefugnisse, keine staatliche Überwachung oder Einschränkung der bürgerlichen Freiheiten, keine Kriminalisierung der KundInnen, Aufklärung statt Verbote, zum Beispiel in Form von geförderten Weiterbildungsmaßnahmen für SexarbeiterInnen, Kampagnen gegen Stigmatisierung von Prostituierten sowie Bleiberechten und umfassender Unterstützung für Betroffene von Menschenhandel.

Noch ein Knackpunkt in den Diskussionen. Für Emma und Co gibt es keine « freiwillige » Prostitution. Das ist alles eine Chimäre. Frauenhandel, Drogenprostitution, Straßenstrich, freiwillige Prostitution, alles dasselbe. Es ist also falsch, laut Emma, einen Unterschied zu machen zwischen Zwangsprostitution und der Prostitution, denen Frauen nachgehen, die dies als Beruf sehen und damit ihr Auskommen haben, ohne Zuhälter … Das « System Prostitution » gehört abgeschafft!

« Ungefragt über ihre Köpfe zu bestimmen und ein Verbot zu verhängen, das ist zutiefst unfeministisch. »
Geld spielt natürlich eine große Rolle in der Diskussion. Sich für « sexuelle Dienstleistungen » bezahlen zu lassen ist für manche Frauen lukrativer als ein Job in der Kasse des Supermarktes, oder in einem anderen Beruf, wo außerdem auch sexuelle Übergriffe auf der Tagesordnung stehen. Die Diskussion um die Prostitution muss die Diskussion um die allgemeine Lage der Frauen in der Arbeitswelt mit in Betracht ziehen. Frauen sind in schlecht bezahlten Berufssparten und in den unteren Rängen der Arbeitshierarchien zu finden. Wenn eine Frau Karriere macht, wird hinter der Hand gemunkelt, sie hat sich « hochgeschlafen ». Frauen sind es, die mehrheitlich sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erfahren bis hin zur Vergewaltigung. Solange diese Missachtung der Würde der Frauen am Arbeitsplatz und in der Gesellschaft andauert ist es scheinheilig, Prostitution verbieten zu wollen.

Die eine wie die andere Position, Legalisierung oder Verbot, werden im Namen des Feminismus vertreten. Es gibt gute Gründe für die eine wie für die andere Position. In der europäischen Union gibt es sehr unterschiedliche Gesetzgebungen. Um endlich Licht in diesen Dschungel an widersprüchlichen Gesetzen zu bringen, wäre eine juristische Harmonisierung in ganz Europa wünschenswert, wobei der Fokus auf Liberalität liegen sollte, meinten Expertinnen, die sich am 5. November zu einem Podiumsgespräch in Wien trafen. Denn das Verbot dient den Frauen nicht. Das schwedische Modell habe viele Mängel. Die Abschaffung der Prostitution sei eine Illusion, es ginge auch um die Existenzsicherung dieser Frauen. Müsste nicht vielmehr überlegt werden, wie die Diskriminierungen bei Einkommen und Karriere abgeschafft werden, und auf welche Weise sonst noch Gleichstellung zu erreichen sei. Vielleicht werden sich dann Frauen in Zukunft nicht mehr prostituieren. Natürlich ist Prostitution Ausdruck patriarchaler Machtstrukturen. Dennoch müsse man die Frauen selbst entscheiden lassen, wenn sie dieser Tätigkeit nachgehen wollen. Ungefragt über ihre Köpfe zu bestimmen und ein Verbot zu verhängen, das ist zutiefst unfeministisch. Freie, sexuelle Entfaltung aller Menschen die sich nicht für Sex bezahlen lassen, sondern ihn genießen mit wem und wann sie wollen,  dass ist Zukunftsmusik und wird wohl erst mit der Abschaffung des Geldes stattfinden können, in einer Gesellschaft wo es keine Diskriminierungen mehr gibt.

Quelle: www.diestandard.at