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Erster Mai für Arbeit oder Ende der Arbeit?

Am 1. Mai geht es um Arbeit für alle, auch zukünftig für die Jugend. In der Regierung, die den Hellseher Jeremy Rifkin gerufen hat, um die Zukunft des Ländchens zu deuten, geht es u.a. um das Ende der Arbeit. „Computer und Roboter werden die Produktion richten.“ In der eben gelaufenen ersten Runde des französischen Wahlkampfs um die Präsidentschaft hatte der, von der eigenen Partei verratene Kandidat der PS, Benoît Hamon Positionen eingebracht, die von denen Rifkins inspiriert scheinen. Es ist nun Zeit, Klärung zu diesen Fragen herbei zu führen.

Wenn also am 1. Mai eine Reihe von bürgerlichen Politikern auf den Maifeiern herumstolzieren, sollten sie sich bewusst sein, dass sie sich in einem Widerspruch bewegen, den man ihnen unter die Nase halten könnte.

Unbewiesene Prognosen

 In den USA sollen in absehbarer Zeit 47% (laut Frey & Osborne) der Arbeitslätze durch neue Technologien ersetzt werden – Robotik, kognitiver Kapitalismus, Automatisierung, immaterielle Produktion – so sagt man. Rifkin hat sich diese Prognose zu eigen gemacht. Dabei glaubt kaum einer noch daran. Die OECD spricht von der Wahrscheinlichkeit, dass 9% der US-amerikanischen Arbeitsplätze verschwinden könnten. Man muss sich auch daran erinnern, dass bei der Verallgemeinerung der Computer ebenfalls schon von der Massenvernichtung der Arbeitsplätze geredet wurde.

Wenn es tatsächlich im Westen einen konsequenten Abbau von industriellen Arbeitsplätzen gegeben hat, so ist dies auf den Drang der Kapitalisten zurück zu führen, eine möglichst hohe Ausbeutungsrate zu erreichen, und die erreicht man nun einmal besser in den armen Ländern, wohin die Produktion dann auch verlagert wurde. Die Smartphones werden bekanntlich nicht in der Silicon Valley produziert. Weltweit haben sich die industriellen Arbeitsplätze zwischen 1950 und 2005 verzehnfacht.

Es bleibt auch zu verifizieren, inwiefern Arbeitsposten und Arbeitsplätze verwechselt werden. Es gibt keine Heizer im öffentlichen Transport mehr, und nach einem starken Abbau von Arbeitsplätzen in der Nachkriegszeit, durch den Abbau vieler Strecken und die Explosion des Individualverkehrs, steigt nun die Zahl der Arbeitsplätze in diesem Sektor ständig.

Diese Bemerkungen müssten durch die Erörterung einer anderen  grundsätzlichen Frage der Funktionsweise des Kapitalismus ergänzt werden. Wie steht es mit der doppelten Natur der Schaffenden als Produzenten und Konsumenten? Roboter kaufen keine Waren, sie haben keine Kaufkraft.  Wir wollen uns aber mit einer anderen Frage grundsätzlicher Natur befassen.

„Das Paradoxon von Solow“ – Informatisierung und Produktivität

 „Computer sieht man überall, nur nicht in den Produktivitätsstatistiken“, so lautete die Aussage vom Wirtschaftsnobelpreisträger Solow, dessen Forschungsresultate eigentlich darauf hinausliefen, dass Produktivitätsgewinne nicht von der Arbeit oder dem Kapital herrühren, sondern von den Faktoren (den technologischen Neuerungen). Er hat somit aufgrund der Statistiken seine eigenen Theorien relativiert. In den 30 Nachkriegsjahren waren die technologischen Neuerungen bereits gewaltig, und doch herrschte quasi Vollbeschäftigung. Der Anstieg der Arbeitslosigkeit im Anschluss an die „30 glorieuses“ geht einher mit einem Schwinden der Produktivitätsgewinne.

Die Arbeiten des marxistischen Wirtschaftswissenschaftlers Michel Husson, der sich auf dem Gebiet der Ökonometrie spezialisiert hat, liefern aufschlussreiche Schlussfolgerungen. Die Gewinne an Arbeitsproduktivität sinken bedeutend seit 2007/8 und zwar weltweit, selbst in den emergenten Wirtschaften, wo sie seit Mitte der 90ger Jahre dramatisch gewachsen waren. Hingegen stoßen die Lehren Rifkins in Luxemburg auf eine Situation, in der die Zahl der Arbeitsplätze ständig wächst und nicht wenig infrastrukturelle Probleme schafft, ohne dass die Prosumers dabei eine Rolle spielten. Prosumers wären Produzenten und Konsumenten in einer Person, doch ist dies eigentlich nichts Neues; die Proletarier alten Stils waren dies auch.

Selbst wenn die neuesten Technologien zu einem bedeutenden Anstieg der Produktivität und zu immer mehr Prekarität im Arbeitsleben führen würden, gäbe es immer noch die Alternative – und da wären wir wieder beim 1.Mai – die gesetzliche Arbeitszeit ebenso bedeutend zu senken. Stattdessen setzen die Prediger der 3. industriellen Revolution (in Deutschland spricht man von der 4.) auf ein völliges Umdenken in Sachen Arbeit. Wohnungen und Transmittel teilen, es hat was von sozialem und ökologischem Flair. AirBnB, Uber, Blablacar…haben auch Einzug in Luxemburg gehalten. Es ist modern, kann also nicht schlecht sein?

In einer Studie der OECD von Mai 2016 (Automatisierung und unabhängige Arbeit in einer numerischen Wirtschaft) wird gemeldet: „Zu diesem Zeitpunkt haben die unabhängigen Arbeiter kein Recht auf Arbeitslosenunterstützung in 19 OECD-Ländern von 34 und haben kein Recht auf Zulagen bei einem Arbeitsunfall in 10 Ländern.“ Die Frage muss berechtigt sein, wer daran verdient. Es sind die privaten Netzwerke, die Anbieter und Kunden zusammen bringen, wie die Immobilienhaie es tun und es ist der schlanke Staat, der sich aus der Verantwortung stiehlt.

Bedingungsloses Grundeinkommen mitten im Neoliberalismus?

Verständlicherweise begegnen die Salariatsorganisationen der Forderung nach einem „Bedingungslosen Grundeinkommen“ mit größtem Vorbehalt. Hamon, eigentlich ein Linker in der Sozialdemokratie, hatte versucht, es zu einem Thema in der Wahlkampagne zu machen, doch es drang nicht wirklich durch. Die Idee findet aber durchaus Gehör in einem Teil der liberalen Kreise, die die Gelegenheit beim Schopf fassen wollen, den Sozialstaat ad acta zu legen.

Das bedingungslose Grundeinkommen könnte eine erstrebenswerte Idee für ein Leben in einer zukünftigen sozialistischen und ökologischen Gesellschaft sein. Unter den gegenwärtigen Kräfteverhältnissen des immer noch dominierenden Neoliberalismus wäre es Gift für die Errungenschaften der Arbeiterbewegung. Die Diskussion soll mit dieser Feststellung nicht abgewürgt, sondern in den rechten Kontext gestellt werden.

In letzter Instanz sind sowohl die Positionen der neuen Gurus à la Rifkin, wie auch der Anhänger des Grundeinkommens, wie auch das (gegensätzliche) Erstarken des Populismus ein Ausdruck der tiefen Orientierungskrise unserer faulenden bürgerlichen Gesellschaft, die weder den Bedürfnissen einer wachsenden Zahl von sozial ausgeschlossenen Menschen eine Perspektive liefern, noch der bedrohlichen, weltweiten ökologischen Krise wirksam begegnen kann. Der gemeinsame Nenner ist: so kann es nicht weiter gehen. Im Luxemburger Ländchen sollte man hinzufügen: Zum Träumen brauchen wir keine Gurus.