Kultur

14-11-2016 Von

Wenn modernistische Architektur zum Psychothriller wird.

Das erlebt man bei die Austellung « La nuit politique »von Aude Moreau im Casino Luxemburg. Ein Psychothriller ohne Psychopathen, nur mit moderner Architektur, Wolkenkratzern und « L.A by night » geht das überhaupt?

Wenn modernistische Architektur zum Psychothriller wird.

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Das erlebt man bei die Austellung « La nuit politique »von Aude Moreau im Casino Luxemburg.

Ein Psychothriller ohne Psychopathen, nur mit moderner Architektur, Wolkenkratzern und « L.A by night » geht das überhaupt?

Hollywood hat noch nicht daran gedacht, aber Aude Moreau schon lange.

Im ersten Stockwerk des Casinos Luxemburg, belehrt uns die kanadische Künstlerin, mit  einer kleinen Auswahl von videografischen, fotografischen sowie akustischen Arbeiten, eines Besseren.

In « Sortir » (2010),  eine Videoarbeit auf grossformatigem Flachbildschirm, umkreist ein Helikopter die Börse von Montreal.   Beleuchtete Bürofenster schreiben das Wort « Sortir » in die dunkle Nacht der Grossstadt.Es fordert die Einwohner Montreals

auf während der sogenannten Nacht der Museen, ihr Haus zu verlassen, um von den diversen kulturellen Angeboten dieser Nacht zu profitieren.

« Inside » (2015), eine grossformatige Videoprojektion, zeigt das dreissigminutige Standbild einer nächtlich beleuchteten Fassade eines Bürogebäudes in Downtown L.A. Nur wenige sich bewegende, menschliche Silhouetten und einzelne, flimmernde Computerbildschirme erinnern uns daran, dass es sich hier um ein Video handelt und nicht um eine grossdimensionierte Fotografie.

« The End »(2015) zeigt, in einem sogenannten « plan séquence » mit  Rückwärtszoom, den nächtlichen Überflug von L.A und Hollywood . An einem der Wolkenkratzer von Downtown L.A kann man, durch das Spiel von beleuchteten Bürofenstern, das Wort « The End » erkennen.

In « Reconstruction »(2012) filmt die Künstlerien die imposante Wolkenkratzerkulisse von Lower Manhatten, NY.Eine perfekte gleichmässige Kameraaufnahme von einem Boot aus mitten im Hudson River.

Die Computeranimation « Less  is more » ist eine Art Hommage an den grossen, deutschen Architekten Mies van der Rohe.

Neben diesen Videoarbeiten zeigt uns die Künstlerin eine Reihe von digitalen Fotografien die sich alle mit dem gleichen Thema befassen. Moderne nordamerikanisch–kanadische Grossstädte.

Fazination ist der erste Eindruck. Faszination der spektakulären Bildaufnahmen, des riesigen, geografischen Ausmasses solcher Megacitys, der Gradlinigkeit der Avenuen, der imposanten Silhouetten der Wolkenkratzer. Fazination  des sublimen Lichtschauspiels welches gleich eines hell erleuchtenden Sternehimmel auf  uns einwirken. Man wird  ungewollt in eine Art  meditativen Zustand versetzt. Die Gefahr besteht dass wir so Opfer einer  Fiktion werden, der Fiktion reicher, amerikanischer Grossstädten, wo Geld regiert und den Menschen glücklicher machen soll.

Nichts desto trotz zwingt  Aude Moreau uns, auf subtile Art und Weise, einen neuen Blick auf solche Städte  zu werfen und uns in tiefere psychologische Ebenen zu begeben. Dieser Blick wird viel zweideutiger, nebelhafter und verschwommener.

Die  Nacht die wir hier erleben ist eine politisch, dekadente Nacht, ein Alptraum.

Die Nacht lässt ihre Monster in eine enthumanisierte Urbanität frei. Diese werden durch die imposanten Wolkenkratzer mit ihren abends grell  beleuchteten Firmenlogos symbolisiert.

Moreau kritisiert somit den ausbeuterischen Kapitalismus, den frenetischen Produktivismus, die Überproduktion von Waren und Bildern, die Macht  der sogenannten mondialisierten Ökonomie. Daher die Neuformulierung des berühmten Bauhausslogans  in der Computeranimation « less is more » in « is less more or »?

Die Welt kommt nicht mehr zur Ruhe, sogar am Vorabend eines Weinachtsfestes. In den Bürogebäuden brennen nachts die Lichter. Computer flimmern bis ins Morgengraue hinein. Ein böses Erwachen ist nach solch politischen Nächten zu erwarten.

Eine Umweltkatastrophe riesigen Ausmasses bedroht New-York. Kein Wunder denn wir wissen dass  die USA, neben China,  der grösste CO2 Produzent  unseres Planeten ist.Dies wird uns in dem Video « Reconstruction » vor Augen geführt. Eine blaue Linie, der mit blauer Folie zugeklebten Fenster der grossen Banken, wie Standards und Poors, Goldman Sachs, Citybank und American Express in Downtown  Manhattens Skyline zeigt die Höhe des Wasserstandes (65 Meter), würden alle Eisberge der Welt  gleichzeitig schmelzen. Diesen Banken und  Grosskonzernen würde dann das Wasser  regelrecht bis  zum Halse stehen. Ob man sich darüber freuen sollte?

Moreaus Videos suggerieren Weltuntergangsstimmungen. Sie bedient sich der filmischen Sprache  düsterer Katastrophenfilmen.

Die Rotorenblättergeräusche des Helikopters in « Sortir » kann man als  Allusion an « Apocalypse now »von Francis Ford Coppola verstehen.In den Videos bedient sie sich tiefbassigen Soundtracks.

Die Künstlerin wehrt sich nicht nur inhaltlich und symbolisch gegen diesen Trend des unbegrenzten Wirtschaftswachstums.

Sie beweisst das auch praktisch dadurch dass sie nur mit dem arbeitet was bereits exisitiert, wie zum Beispiel  beleuchtete Büroräume, Wolkenkratzer, Firmenlogos usw. Ihre Arbeiten hinterlassen  keine materiellen Spuren, keinen » künstlerischen Abfall ». Die nächtlichen Aufnahmen verstärken die Idee der Leere. Die Nacht entmaterialisiert die Grossstadt.

Die Künstlerin, deren Arbeit man eher als konzeptionell  definieren kann, inspiriert sich an Autoren die sich alle mit dem Phänomen  des Urbanismus im Kapitalismus befasst haben. So zum Beispiel Guy Debord, Georg Simmel oder Georges Perec.

Latente Weltuntergangsstimmungen, eine Gesellschaft, die immer mehr im kapitalistischen Sumpf zu versinken droht. Andy Warhol wäre nicht »amused », er der grosse Verehrer amerikanischer, moderner Grossstädte und des sogenannten « American way of life »

Der Betrachter verlässt  die Austellung denn auch mit einem ambivalenten Gefühl: eine Mischung aus Erstaunen und Angst  zugleich.

Faszination für das überdimensionierte, grossartige, nächtliche Schauspiel amerikanischer Grossstädte. Angst vor dem politisch, sozial und ökologisch Unkontrollierbarem.

Geht man nachher in Richtung Boulevard  Royal, so kreisen unsere Gedanken  unweigerlich, gleich Hubschrauber-Rotorenblätter um die Macht der Banken in Luxemburg. Untermalt werden diese Gedanken durch einen fortwährenden Soundtrack des Verkehr-und Baulärms .Hier stösst Kunst auf Realität.