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Der Arbeiter verschwand, die rote Farbe blieb

Eine kleine kunsthistorische Studie von Plakaten zum Anlass der traditionellen 1.Mai Feiern in Luxemburg.

Sowie der Osterhase und buntgefärbte Eier zu Ostern gehören, so gehören ebenfalls zum traditionellen Fest der Arbeit am 1.Mai bestimmte Rituale , Arbeiter und Freiheitslieder, Abzeichen, Spruchbänder, Maikränze, Schilder und nicht zuletzt Plakate die das eigentliche Thema dieses Artikels sind.

Angefangen hat das Ganze am 1.Mai 1886 mit einem Generalstreik von Arbeitern in Chicago, die für den Achtstundentag demonstrierten. Als es am Rande der Streikkundgebung Krawalle mit Toten und Verletzten gab, wurde dieser 1.Mai als Stichtag für die weltweit stattfindenden alljährlichen Feiern zum «Tag der Arbeit» erkoren.

Was hat sich nun im Laufe der fast 120 Jahren bei den Feierlichkeiten verändert und was nicht?

Meist begannen die Maifeiern mit Böllerschüssen der Bergarbeiter. Danach wurden Maikränze mit dem frisch spriessendem Laub gebunden. Anschliessend wurde der 1. Mai dann feierlich in einem Umzug mit Musikkapelle, Gewerkschaftsvertretern, Politikern und schlussendlich den Werkstätigen selbst abgeschlossen. Danach gab es dann öffentliche Kundgebungen mit den üblichen Reden von Gewerlschaftsführern wo dann die neuen sozialen Forderungen für das anstehende Jahr verkündet wurden.

Vieles von dem ist heutzutage (leider) verschwunden so z.B Die rote Fahne die immer am Anfang des Umzuges mitgetragen wurde oder die rote Nelke als deren Ersatz wärend der Nazizeit. Die Arbeiterlieder sind verstummt. Die Umzüge sind durch lokale Feste der Kulturen ersetzt worden . Alles ist friedlicher geworden. Die Forderungen sind weniger radikal, Berlin Kreuzberg und Hamburg Schanzenviertel ausgeschlossen.

Heute wird dieser freie Tag eher zu einem Ausflug ins Grüne genutzt. Die Teilnahme
an den von den Gewerkschaften organisierten Feierlichkeiten interessiert immer weniger Leute. Der Artikel der «Welt 24» des 1.04.2016, «Das proletarische Klassenfest verkam zur Grillparty» beschreibt diese Tendenz besonders gut.

Darüber muss man nicht besonders erfreut sein, haben doch unsere Väter und Grossväter für viele sozialen Errungenschaften gekämpft von denen wir heute noch profitieren. (wie z.B die 40 Stundenwoche).

Von den Traditionen ist leider vieles verschwunden oder wird nur noch lauwarm aufge- kocht.

Jedoch wurde bis zum heutigen Tage beibehalten, die grossen Werbeplakate am Rande der Strassen, die jedes Jahr die Bürger zum Mitmachen an den Feierlichkeiten zum 1. Mai aufrufen.

Analysiert man sie chronologisch (international sowie national), kann man verschiedene interessante Entwicklungen feststellen.

Erstens haben sich die Forderungen, Slogans auf den Plakaten nicht viel verändert .

Sie werden gebetsmühlenartig wiederholt und verlieren so ihre wahre Wirkungskraft. Man nimmt sie kaum mehr wahr oder man hat den Glauben an sie längst verloren.

Eine Analyse der Werbeplakate des DGB (Deutscher Gewerkschaftbund ) vom 1950 bis
heute lässt eine Redundanz der Forderungen erkennen :
Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit, Mitbestimmung, Solidarität, soziale Sicherheit und soziale Gerechtigkeit. (letztere zum ersten Mal 1998) .

Aha! Da glaubte Martin Schultz wohl er hätte ein neues Thema entdeckt!

Zweitens gibt es auch in Punkto Stil interessante Entwicklungen zu erkennen.

Bis in die 50ger Jahren hinein waren die Plakate immer von der vorherrschenden Kunstrichtung beeinflusst. Zuerst vom Jugednstil, dann in den 20ger Jahren vom russischen Konstruktivismus. Danach wurden fast alle Plakate, bis zum Tode von Stalin, von dem sogenannten «Russsischen Realismus» geprägt.

Drittens stellt man radikale, ikonographische Veränderung in den Plakaten fest.

Ab den 60ger Jahren ist der Arbeiter, respektiv seine Arbeitsstätte (Fabrik) vollständig als Motiv verschwunden! Dominant ist ab jetzt das Motiv der Familie, die rote Nelke (70gern)
Kinder und Jugendliche (80gern), abstrakte Formen (90gern) oder nur noch Wörter (2000-2017)

Warum das so ist?

Nun einige Ursachen sind wohl klar. Die Deindustrialisierung unserer westlichen Länder,
die Vorrherrschaft der Dienstleistungsgesellschaft. Die Digitalisierung und sich weiter
entwickelnde Robotorisierung haben mit sich gebracht dass der Prozentsatz der Arbeiter in der Bevölkerung stetig abgenommen hat. In Deutschland betrug ihr Anteil nur noch 26,2
Prozent , 1970 lag er noch bei 47,3 Prozent.

Viertens kann man bei der Analyse feststellen dass eine Sache sich nicht so radikal verändert hat.Die Farbe Rot lebt noch immer, obschon in einem bescheideneren Masse.
Sie erinnert einen daran, dass sozialistische Gewerk-schaften massgeblich an der Entwicklung des Sozialstaates beteiligt waren und noch sind.

Und wie steht es mit den alten Arbeiterliedern? Müssen die nicht erneuert werden?
Ich glaub schon.

«Ich gehe nicht zur Demo, na,na,na,na
sondern ich fahr lieber zum Kurzurlaub
nach Mollorca ca ca ca ca…»

Quellen zu diesem Artikel:

100 Joer fräi Gewerkschaften 1916-2016 (OGBL)
OGBL Aktuell – November 2016
DGB Bundesvorstand: «Der 1.Mai: Plakate und Slogans seit 1950»
Die Welt.de : «Das proletarische Klassenfest verkam zur Grillparty»
Die Welt 24: «Tag der Arbeit: Es begann mit einem Massaker»
Lemo, Lebendiges Museum Online: «Der 1 Mai Tag der Arbeit»
BPD Gesellschaft für Medien Geschichte Politik: «Historische Plakate»
Bundeszentrale für politische Bildung: «Die soziale Situation in Deutschland »