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Das 6. Büro oder illegale tax rulings mit Amazon

Das Thema wird in der Öffentlichkeit nicht gerade breit getreten. Für uns kann es kein nationales Tabu in Fragen des Steuerdumpings im Dienst der Multis geben. Die Europäische Kommission ermittelt über ein Abkommen zwischen der luxemburgischen Regierung und dem e-Kommerzriesen Amazon, der seine europäische Filiale in Luxemburg unterhält. Warum hatte sich Amazon 2003 gerade in Luxemburg niedergelassen? Weil es in Luxemburg am wenigsten Steuern bezahlen muss?

Das « Bureau d’imposition Sociétés 6 » handelt mit kommerziellen Gesellschaften ein Abkommen aus, das die zu erwartende Besteuerung festhält (tax ruling). Anders als bei der Besteuerung der Löhne, ist die Besteuerung der Unternehmen also verhandelbar. Das ist nicht neu und auch nicht illegal. Ob es legitim ist, muss bezweifelt werden. Ganz klar geht es hier um das Steuerdumping, um eine Konkurrenzfrage zwischen Ländern. Die europäische Kommission ist laut europäischem Recht nicht zuständig in Steuerfragen – die Steuerpolitik bleibt national souverän – wohl aber in Fragen der Konkurrenz.

Wenn Amazon (oder Fiat oder andere) mit Sitz in Luxemburg steuerliche Vorteile erhält, die Konkurrenzfirmen nicht erhalten, dann gibt es eine Verfälschung der Konkurrenz und dann kann die Kommission eingreifen. Sie sagt: « Wir haben kein Problem mit tax rulings also solche, so lange diese keine selektive Vorteile für spezifische Unternehmen anbieten. » Sie wollte eine Menge Informationen über die Praktiken im 6. Büro haben, bekam sie aber nicht oder nur zähflüssig.

Eine langwierige Untersuchung

Hingegen hat der luxemburgische Staat ein Verfahren vor dem europäischen Gerichtshof eingeleitet, weil die Kommission zu sehr schnüffele. In Sachen Amazon aber läuft nun die Untersuchung, die wohl Monate, wenn nicht Jahre in Anspruch nehmen wird. Noch und für einige Tage ist Joaquín Almunia zuständig. Soviel ist gewusst: 2003 gab es ein tax ruling mit Amazon. Genauer gesagt mit zwei Gesellschaften: Amazon EU sàrl im Vordergrund und Amazon Europe Holding Technologies im Hintergrund.

Erstere fährt Milliarden Einnahmen aus dem e-Kommerz in Europa ein. Steuerlich profitierte der Staat hauptsächlich wegen der Mehrwertsteuer, die aber 2015 zum großen Teil entfallen wird, weil diese Steuer dann an das angelieferte Land gehen wird. Da konnte man schon mal auf die Steuern auf den Gewinnen weitgehend verzichten. Weil wir keine Einsicht in das sakrosankte Steuergeheimnis haben, wollen wir mal folgende Variante wagen: Amazon EU sàrl macht keine oder nur wenig Gewinn trotz ihrer marktbeherrschenden Stellung in Europa. Sie schuldet hohe Abgaben an die Zwillingsschwester Amazon Europe Holding Technologies, die die Lizenzen für den e-Handel besitzt – eine Frage der „propriété intellectuelle“.

Laut der französischen Wirtschaftszeitung « les Echos » zahlt die Holding keine Steuern. Es stimmt wohl, dass eine Holding vom Typ Soparfi bis zu 80 % des Gewinns steuerfrei halten kann. Das Handelsblatt behauptet: « Die Bilanzen zeigen, dass die Amazon Europe Holding Technologies an die Amazon Technologies Inc in Nevada beginnend im Jahr 2005 jedes Jahr 230 Millionen Dollar abgeführt hat. Im gleichen Zeitraum nahm Amazon Europe Technologies jährlich bis zu 583 Millionen Euro von den europäischen Töchtern des Konzerns ein.

2 Milliarden Dollar steuerfrei

Der Differenzbetrag verblieb in Luxemburg. Über die Zeit hat Amazon damit dort steuerfrei über zwei Milliarden Dollar angespart ». Les Echos fragen weiter: « War das Großherzogtum bereit, den Betrag der Abgaben (an die Holding, Anm. d. R.) künstlich aufzublasen, um die besteuerbare Basis abzusenken und so Amazon zu überzeugen, sich nieder zu lassen? » Und weiter: « Es sieht so aus, dass die Berechnung so gemacht wurde, dass die, in Luxemburg zu zahlenden Steuern auf einen Bruchteil des Umsatzes gedeckelt worden waren. »

Wenn die Untersuchungen der Kommission eine Wettbewerbsfälschung ergeben, müsste Amazon 10 Jahre Steuern auf den Gewinnen an den luxemburgischen Staat nachzahlen. Sascha Bremer berichtet im Tageblatt, in Regierungskreisen werfe man der Kommission gar « phishing » vor, eine Art von Hacking. (« Almunia hackt Gramegna », wäre das kein toller Titel für einen Thriller? Die Regierung scheint nervös.) Interessant sind die Aussagen des ehemaligen Chefs von Amazon für Europa in einem Interview mit dem Land. Er behauptet darin, die Steuerfrage habe bei der Niederlassung kaum eine Rolle gespielt. Es sei das allgemein positive Umfeld gewesen, das den Ausschlag gegeben habe, etwa die Hochleistung des luxemburgischen Datennetzes… Wer’s glaubt, bezahlt einen Thaler.

Legal, halblegal, illegal… die Gewinnflucht der multinationalen Konzerne ist allemal nicht legitim. Sie untergräbt die finanzielle Handlungsfähigkeit der Staaten, die nicht mehr ausgleichend in die Krise eingreifen können. Der nationale Schulterschluss um das Steuerdumping ist eben sowenig angebracht wie das Vertrauen in die europäische Kommission, salomonisch gerecht gegen die steueroptimierenden Tricks der Konzerne an zu gehen.