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Führt der Brexit zu einer neuen Rezession ?

Die Folgen der Krise von 2008 sind noch nicht verarbeitet und eine neue Krise scheint unausweichlich, denn die Gründe, die zur letzten Krise geführt haben sind noch immer da. Da wären vor allem die Blasen diverser Natur und eine „Überblase“, die darin besteht, dass die an den Börsen gehandelten Werte insgesamt weit über dem Wert der materiellen Produktion liegen, die sie darstellen sollen. Die Rezession hält in manchen Ländern an, und insgesamt driftet der Kapitalismus des Westens, wie z.B. in Japan, in die langfristige Deflation.

 

Innerhalb des Euroraums wurden seither manche Maßnahmen getroffen, um eine erneute Krise abzufedern, wie die Anhebung der obligatorischen Reserven der Banken, die regelmäßigen Gesundheitschecks der Banken oder die Einrichtung eines solidarischen Fonds, der langsam wächst und der im Notfall die Löcher bei systemischen Banken stopfen soll.

 

Diese Maßnahmen sind aber alle nur defensive Korrektive, die nicht an den Wurzeln des Übels ansetzen, wie z.B. die mangelnden Investitionen und die Verlagerung der produktiven Wirtschaft in die Finanzsphäre. Dieser Tage illustrieren die italienischen Banken, die auf 400 Milliarden Euro an faulen Krediten sitzen, dass die anhaltende Stagnation das Finanzsystem unterminiert, denn Italiens Banken haben sich nur teilweise verspekuliert. Ihr Hauptproblem ist, dass die kleinen Kredite nicht zurückbezahlt werden, weil Kleinbetriebe und Haushalte es nicht mehr können. Nun stellt sich die Frage, ob der Staat nochmals eingreift oder ob die neu geltende Regel auch wirklich angewendet wird, welche vorsieht, dass Aktionäre und Kunden ab 100.000 € Spareinlagen selber zahlen müssen und nicht mehr der bereits ausgelaugte Staat.

 

Alle diese Maßnahmen gehen nicht nur nicht an die Wurzeln des Problems, sie können auch die Auslöser einer neuen Krise nicht verhindern. Diese Auslöser können weitgehend irrational sein und im nebeligen Feld der „Massenpsychologie der Broker“ zu suchen sein. Die systemkritischen Ökonomen, wie auch mache prokapitalistische Wirtschaftstheoretiker – bis in die Kreise des Weltwährungsfonds hinein – gehen von der Wahrscheinlichkeit einer erneuten gravierenden Krise aus, aber keiner vermag zu sagen, was der Auslöser sein wird. Die Auswirkungen der Überproduktionskrise in China? Eine große Bankenkrise in Italien? Das Platzen einer Blase in einem bestimmten Wirtschaftszweig, etwa der Immobilienkredite? Der Brexit?

 

In der Schockstarre des 23. Juni hatten Juncker, Tusk und Schulz, wie aus einem Hals, die sofortige Anwendung des Artikel 50 gefordert, damit die Situation der allgemeinen Verunsicherung nicht zu einer chaotischen Reaktion der Märkte führe. Vielleicht hatte auch eine etwas dümmliche Revanchereaktion mitgespielt. Das Pfund ist eingebrochen, der Euro nur wenig, nach einigen Tagen hatten die Börsen sich wieder eingependelt. Bedenklich ist die Situation mehrerer großer Immobilienfonds, die jede Verkäufe seitens der Anteileigner gesperrt haben, weil sie zahlungsunfähig sind. Es scheint sich aber um ein lokales Phänomen in der City zu handeln, das dadurch ausgelöst wurde, dass die gewerblichen Immobilienpreise in London nun fallen, weil die Multis einen Teil ihrer Beschäftigten in der City abzuziehen gedenken, um sie nach Frankfurt, Paris, Dublin … oder Luxemburg zu verlagern.

 

Großbritannien ist nicht im Euroraum und es sieht nicht danach aus, als würde der Brexit zum Auslöser einer größeren Panik an den Börse. Die neue Lady May an der Spitze der britischen Regierung muss den famosen Brief mit der Anrufung des Artikel 50 nicht sobald abschicken. Wird sie es überhaupt tun? Aus ihrer Sicht könnte es interessanter werden, zuerst vorteilhafte Bedingungen für den Verbleib im gemeinsamen Markt und den Erhalt der „Pässe“ für die Aktivität der Banken der City auf dem Kontinent auszuhandeln. „Kommt gar nicht in Frage“, sagte das Trio aus Brüssel vorlaut. Nun fragt sich, welches Mittel diese denn haben, die Regierung der Tories zum Abschicken des ominösen Schreibens zu zwingen. Dann bestünde noch die Möglichkeit, erst einmal Neuwahlen auszurufen, wenn es dafür eine Mehrheit im Unterhaus geben könnte; dies in einer Situation, wo (New) Labour vor der Spaltung steht. In Brüssel wird man wohl abwarten und Earl Grey trinken …oder Darjeeling.