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7 Jahren die Linke – 7 Gründe zu feiern!

 

 

Als im Juni vor sieben Jahren die WASG mit der PDS (Partei des demokratischen Sozialismus) fusionierte war die Hoffnung auf eine gesamtdeutsche Alternative links von der Sozialdemokratie groß. Kurz zuvor scheiterte die WASG noch bei den Wahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern an der 5 Prozent- Hürde. Nach der Fusion schaffte die neue Partei die Linke diese dann auf Anhieb überall, mit Ausnahme von Bayern, und erzielte Achtungserfolge in Thüringen sowie bei der Bundestagswahl.

Sieben Jahre später ist wieder Ernüchterung eingekehrt. Ein vergleichsweise schlechtes Ergebnis bei der Bundestags- und Europawahl und zurückgehende Mitgliederzahlen sowie interne Diskussionen über die Ausrichtung der Partei sorgen für einige Nachdenklichkeit – zu Recht, jedoch kein Grund nicht zu feiern! Die Linke hat vieles erreicht wovon andere Linksbündnisse in Europa lernen können. Ein Blick in die Partei und sieben Gründe zum anstoßen.

Nach Gramsci muss eine erfolgreiche Partei mindestens drei Kriterien erfüllen. Sie muss erstens Bündnisse schmieden, zweitens Intellektuelle ausbilden und drittens eine eigene Weltanschauung und somit Alternative bieten. Dies macht sie auf Basis einer breiten gesellschaftlichen Verankerung, mit Hilfe eines kampffähigen Apparates und durch internationale Vernetzung und Agitation. Der Aufbau dieser Basis ist der Partei die Linke gelungen und es gilt nun dies auszubauen.

Die Basis

1. Gesellschaftliche Verankerung

Trotz sinkender Zahlen hat die Linke mit ihren fast 64.000 Mitgliedern noch immer mehr Mitglieder als die Grünen oder die FDP. Bundesweit ist ein Trend zu sehen, dass Parteimitgliedschaften immer weniger attraktiv werden. An der Spitze der mitgliederreichsten Parteien bleibt die SPD. Sie ist jedoch auch die Partei mit dem stärksten Mitgliederverlust. Besonders für die Linke ist, dass ein Großteil ihres Mitgliederverlustes aus demographischen Gründen erfolgte. Während viele Ältere, vor allem männliche Mitglieder, aus der PDS entweder austraten oder verstarben, ist es nicht gelungen eine Verjüngung und eine Feminisierung voran zu treiben.

Ebenfalls speziell für die Linke ist ihre interne Zusammensetzung aus Menschen verschiedener politischer Herkünfte. Während ein Großteil der Basis im Westen aus enttäuschten SozialdemokratInnen und KP-Splittergruppen besteht und die Wahlerfolge vergleichsweise gering (mit Ausnahme vom Saarland) sind, avancierte die Linke im Osten zur Volkspartei. In Brandenburg, Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt erhält die Linke überall mehr als 20 Prozent. Dazu stellt die Linke sechs Landräte und 47 Bürgermeister und ist somit auf allen politischen Ebenen vertreten, jedoch mit Schwachpunkt im Südwesten.

Wer Kräfteverhältnisse ändern will ist jedoch auf eine breitere Basis und ein höheres Engagement dieser angewiesen als derjenige, der bestehende Ordnung nur erhalten will. Dafür benötigt es eines funktionierenden Leitungsorgans.

2. Der Apparat

Die Wahl von Katja Kipping und Bernd Riexinger als Parteivorsitzende hat einige Ruhe in die Partei gebracht. Der Fraktionsvorsitzende Gregor Gysi ist nicht nur das Gesicht nach außen, der bei Umfragen u.a. Nahles, Wowereit, Altmaier und Kretschmar auf die Plätze verweist, er ist auch ein geschickter Verhandlungsführer innerhalb der Partei dem es gelingt die immer wieder gegen sich kämpfenden Strömungen zu versöhnen und Ressourcen zu bündeln.

Die verschiedenen Strömungen sind so auch innerhalb der Partei etwa gleich stark vertreten, mit einer vermutlich leichten Übergewichtung der Nicht-Reformer, die deshalb jedoch an der Basis stärker vertreten sind. Zusätzlich führt eine strenge Quotierung zu einem Gleichgewicht zwischen Männern und Frauen und dem Aufbau starker weiblicher Persönlichkeiten. Die Wahl von Janine Wissler zur stellvertretenden Vorsitzenden ist hierfür nur ein Beispiel. Positiv zu bewerten ist ebenfalls die Integration vieler junger Menschen in die aktive Parteiarbeit, sowie in konzeptionelle Arbeitsgruppen, wie beispielsweise Judith Benda und Anne Geschmock.

Wert gelegt wird ebenfalls auf den Aufbau und die Einbindung von Arbeitsgruppen die aktualitätsnahe und fundierte Analysen und Positionen produzieren und gleichzeitig den Ausgangspunkt für die Bündnisfähigkeit mit parteifremden Organisationen und Aktionsgruppen legen. Dem schließen sich Frauen- und Jugendverbände an, ein Ältestenrat sowie eine Stiftung.

Mehrheitlich wird die Linke weder von staatlichen Geldern (39%), noch von Großspenden (allgemein machen Spenden nur 7% der Einnahmen aus) finanziert. Die Mehrheit (41%) der Einnahmen erhält die Partei aus Mitgliederbeiträgen. Die ausbleibenden Wahlerfolge haben zwar auch bei ihr dazu geführt, dass an Ausgaben gespart werden muss, jedoch behält sie so weiterhin ihre Autonomie und kann Stabilität garantieren. Wie wichtig dabei ein kompetenter und kommunizierender Schatzmeister ist, hat auch die Diskussion um die Wahl von Thomas Nord gezeigt. Das Thema war einer der dominierenden Streitpunkte auf dem letzten Parteitag.

Zur Partei gehören des Weiteren  die enge Vernetzung mit dem Dietz Verlag und der Zeitung Neues Deutschland. Die Linke besitzt einen fünfzig prozentigen Anteil an der Tageszeitung, die eine Auflage von über 300.000 Exemplaren pro Tag erreicht.

3. Internationale Vernetzung

Durch den Einzug ins Europaparlament wurde einer der Schwerpunkte der internationalen Vernetzung auf die GUE/NGL sowie auf eine enge Zusammenarbeit mit den europäischen Schwesterparteien gelegt. Zwar ist Europapolitik kein Schwachpunkt der nur auf die Linke zutrifft, dennoch muss zugegeben werden, dass auch die Linke nicht groß für die Europawahl mobilisieren konnte und es ihr immer noch schwerfällt eigene Themen in öffentlichen Diskussionen zu setzen.

Die Handlungsfähigkeit

4. Bündnisfähigkeit

Auf europäischem und über-europäischem Plan fällt ihr die Bündnisarbeit in anderen politischen Feldern hingegen leichter. Bereits auf dem G8 Gipfel in Heiligendamm im Jahr 2007, sprich kurz vor dem Zusammenschluss als bundesweite Partei, waren die einzelnen Organisationen der späteren  Partei die Linke omnipräsent, vernetzten sich und konnten sich im nicht parteipolitischen Spektrum zu verankern.

Wichtige bundesweite Bündnisse schmiedete die Linke insbesondere bei den Blockupy Protesten und bei der Aktion umFAIRteilen. Zwar gelang es ihr nicht beim umFAIRteilen klarere Forderungen zu setzen und dem Bündnis strategisch weiterzuhelfen. Wichtig war jedoch die Erfahrung, dass diese Menschen auch im Parlament eine vertretende Stimme angeboten bekamen. Auch bei den Bildungsprotesten, Castor-Transporten und Flüchtlingsprotesten entwickelte sich die Linke zu einem seriösen Sprachrohr und starkem Helfer der nicht belehrend vorgeht.

Die Vormachtstellung der Grünen und SPD geriet stark ins Schwanken und spätestens seit den Lampedusa Hamburg Protesten sowie der Räumungsaktion von Flüchtlingen in Berlin- Kreuzberg durch Olaf Scholz, beziehungsweise die Grünen, scheint wohl kein Weg an der Linken vorbei zu führen.

Ein anderes Feld sind Gewerkschaften. Strategisch clever war hier nicht nur die Wahl von Bernd Riexinger zum Parteivorsitzenden, sondern auch die Unterstützung von Arbeitskämpfen durch den Studierendenverband dieLinke.SDS. Prägend sind hier vor allem die Unterstützung des AMAZON Streiks durch lokale SDS Gruppen. Mit der SDS Vorsitzenden Sophie Dieckmann kann so eine vertikale und horizontale Koordination und Unterstützung garantiert werden.

Eine internationale Vernetzung, insbesondere zum Amazon Standort Luxemburg erfolgte bisher zwar noch nicht, bietet sich jedoch an.  Ein anderer Erfolg in diesem Feld war die enge Zusammenarbeit mit den Reinigungskräften der IG-Bau, wo der SDS aktiv um Mitglieder warb, die Debatte nach außen trug und an der Vorbereitung eines Streiks beteiligt war.

Parteipolitische Bündnisse gab es bisher z.B. in Brandenburg und Berlin. Die Diskussionen über den Erfolg dieser laufen intern. Raul Zeliks Beitrag zur Debatte um eine Kühr Bodo Ramelows in Thüringen zum ersten linken Ministerpräsidenten lieferte hierbei die intellektuelle Grundlage für eine Debatte zur Ausrichtung und Kombination von realpolitischer und revolutionärer Praxis.

Seine 11 Thesen zum Thema „linke Regierungsbeteiligung“, nachzulesen im Neuen Deutschland vom 1. Juni 2014 unter dem Titel „Emanzipation und Reformpolitik Was könnte sich ändern unter Rot-Rot-Grün? Elf Thesen zu Mitte-Links-Regierungen in Thüringen und anderswo“, sind das Resultat dieses Prozesses, der auch mit den direkt Betroffenen geführt wurde.

5. Ausbildung von Intellektuellen und Multiplikatoren

Die Rolle der Rosa Luxemburg Stiftung kann kaum unterschätzt werden. Gesprächskreise, Fortbildungsangebote, lokale, regionale und internationale Debatten und dies mit diversen AktivistInnen aus dem In- und Ausland, mit PolitikerInnen, WissenschaftlerInnen und im Dialog mit der breiten Basis tragen zu einer aktiven politischen Bildung der Basis bei. Forschungsprojekte erreichen nicht selten bundesweite Aufmerksamkeit und Engagierte der RSL wie Alex Demirovic oder Dr. Michael Brie gelten bis weit über linke Kreise hinaus als angesehene Debattenführer, Experten und Meinungsträger.

Bildungs- und Diskussionsveranstaltungen werden auch auf anderen Ebenen angeboten, wie beispielsweise bei den Jugendverbänden oder durch lokale Parteisektionen, erreichen jedoch nur selten die Durchschlagskraft der Stiftung. Interessant, um Anknüpfungspunkte mit Menschen von außerhalb der Linken zu finden, sind jedoch Informationsveranstaltungen zu bestimmten lokalen oder gesellschaftlich präsenten Themen. Egal ob zu Kohleabbau oder Kommunalhaushalten, desto lebensnaher das Thema, desto höher die Mobilisierungsfähigkeit auf unteren Ebenen.

Dem schließen sich konkrete Beratungsstellen an. Die Linke führt hier einige Projekte, wo offene oder teilweise offene Büros Menschen einen Raum bieten, um sich ohne Konsumzwang zusammen zu setzen oder ihnen die Möglichkeit geboten wird Projekte zu organisieren und dabei Unterstützung zu erfahren. Dazu kommen Fachberatungen z.B. beim Anfragen von Arbeitslosengeld.

6. Anbieten von Alternativen

Die Gründe für die Formierung zur bundesweiten Partei, vor allem die Harz IV Gesetzgebung, boten der Partei die Möglichkeit, eine klare Alternative anzubieten oder besser gesagt, drei. Die Linke mobilisierte mit der Forderung nach einem Mindestlohn, dem Kampf für eine gerechte Rente, durch den Kampf gegen die Riesterrente, sowie für eine friedenspolitische Ausrichtung der BRD. Zudem forderte sie eine Anpassung des Lebensstandards zwischen Ost- und West. So gelang es der Partei Felder wie Frieden, Soziales und Armut zu besetzen und sie der SPD und den Grünen teilweise abzuringen.

Diese Themen werden jedoch immer stärker wieder von den etablierten Parteien zurück gewonnen. Ein Mindestlohn wird eingeführt, eine Reform der Rentenpolitik ausgearbeitet und auch wenn sich die Bundeswehr noch immer an internationalen Einsätzen beteiligt, dann doch mindestens nicht mehr an Kriegen wie vormals in Afghanistan oder auf dem Balkan.

7. Ein anderer Gesellschaftsentwurf

Nach langem Ringen überwand sich die Linke dazu mit der Forderung nach einem „demokratischen Sozialismus“ mindestens die Umrisse eines konkurrierenden Projektes zum Neoliberalismus zu propagieren. Es darf nicht verschwiegen werden, dass es der Linken, wie überall in Europa, schwer fällt, diesen als realistische Option zu vermitteln, jedoch macht sie so mindestens ein konkretes, strömungsübergreifendes Angebot, was sowohl innerhalb der Partei wie außerhalb mobilisierend wirkt.

Rauschloses Feiern

Um es nochmals mit Gramsci zu sagen: „Man muss nüchterne, geduldige Menschen schaffen, die nicht verzweifeln angesichts der schlimmsten Schrecken und sich nicht an jeder Dummheit begeistern. Pessimismus des Verstandes, Optimismus des Willens“.

Sicherlich dominieren in der öffentlichen Berichterstattung vielfach interne Diskussionen, die SPD ringt sich wieder zu ihren Kernthemen zurück und die Grünen gewinnen wieder an Profil seit sie in der Opposition sind. Der demokratische Sozialismus ist somit noch etwas ferner als er sowieso schon war und die Angst einmal ähnliche Verhältnisse in Deutschland zu haben wie sie durch Deutschland im europäischen Süden geschaffen werden, kombiniert mit Reformen zur Ankurblung des Binnenmarktes, wirkt lähmend auf alle Alternativen.

Die Linke hat einiges erreicht und es gilt noch einiges mehr anzugehen. Die Herausforderungen sind jedem bewusst und das verflixte siebte Jahr hat die Linke zu stärksten Oppositionskraft innerhalb Deutschlands gemacht. Es gibt schlechtere Vorzeichen. Nun gilt es diese Herausforderung anzunehmen und in die Offensive zu gehen. Die Wahl Bodo Ramelows zum ersten linken Ministerpräsidenten bietet vor allem die Möglichkeit zur Demonstration von Machtfähigkeit und um zu zeigen, wie breit die Linke aufgestellt ist. Die Bloccupy-Proteste mit der Einweihung des neuen EZB Gebäudes helfen bei einer parteiübergreifenden Mobilisierung. Die Linke ist bereit auf sieben weitere Jahre! Nüchtern und optimistisch!